Einen ganz besonderen Augenblick erlebte ich im Centre Georges-Pompidou. Gezeigt wurde eine große René Magritte Retrospektive im obersten Stockwerk (hier kann man ganz Paris überblicken) des imposanten Gebäudes. Die Ausstellung war so gut besucht dass wenig Muße für die Kunstwerke Magrittes blieb – obwohl die Museen in Paris in den Herbst-Winter-Monaten empfehlenswert sind. Zu dieser Zeit kann man sogar manchmal, früh am Morgen, die Mona Lisa in Ruhe zu besichtigen, allerdings im Louvre.
Da das Centre Pompidou eine riesige Auswahl an moderner Kunst ausstellt, verließ ich zügig die Magritte-Ausstellung denn Museen lassen sich wunderbar gegen den „üblichen“ Menschenstrom besichtigen, im eigenen Rhythmus und mit eigenen Vorlieben für bestimmte Werke, Räume, Plätze. Jetzt aber los zu den absolut empfehlenswerten Exponaten, in hellen Gängen und unzähligen Räumen die ein ausgewogenes Abbild der Kunstgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts zeigen. Zudem einige besonders ungewöhnliche Exponate, wie grafische, exakte Kugelschreiberzeichnungen die den Augen Bewegung vortäuschen?? oder ein in sich schillerndes Werk des Malers Frantisek Kupka von 1913. Nach ein bis zwei Stunden dieser Fülle war eine Pause nötig die man gut in der großen Eingangshalle mit Restaurant des Centre Pompidou verbringen kann oder in den Kellerräumen die eine Vielzahl an zeitgenössischen Videoinstallationen zeigen. Aus Neugier betrat ich allerdings einen Ausstellungsraum der weiß-bläulich von etwa 30 Neonröhren beleuchtet wurde. In diesen Raum führte ein schmaler Holzsteg der in eine quadratische Plattform endete. Der ganze Aufbau etwa 10 cm über dem Boden. Und ja, ich war schon müde ob der vielen Kunstwerke und langer Wege weshalb ich mich einfach auf die Plattform setzte. Die Neonröhren gingen in unterschiedlicher Frequenz, sehr langsam an und wieder aus. Zuerst versuchte ich instinktiv eine Reihenfolge, eine Melodie oder einen imaginäre Verbindung zwischen den einzelnen aufleuchtenden Lichtern zu erkennen, was allerdings bei dieser Menge an Röhren und der Bespielung aller vier Wände nicht möglich war. Blieb nur die Entspannung und ein „Sichgehenlassen“… was mich für diese Inspiration öffnete: Blickende Lichter, auf einmal wie am Wasser, auf der Wasseroberfläche der Isar vielleicht, nein, ruhiger, eher wie an einem See… das Lichtspiel der tänzelnden Reflexionen auf einer Wasseroberfläche. Meine Körperhaltung veränderte sich, ich lehnte mich zurück und ließ meine Hände, wie beim Sitzen auf einem echten Steg, auf dem Holz liegen. Plötzlich war ich zurückversetzt in meine Kindheit und Jugend, die Nachmittage und Abende am See; fast konnte ich das Wasser riechen, das laue Lüftchen spüren und die ersten Sterne blitzen sehen.
So ist das also mit der Kunst, der Magie… sie lässt uns Dinge erfahren, Begebenheiten wiederaufleben, Gefühle bestaunen und verwendet oft völlig überraschende Mittel. Wer hätte gedacht, dass mich 30 Neonröhren an kahlen, weißen Wänden, inmitten einer riesigen Stadt, auf dem Boden eines Museums sitzend zu so schönen, warmen Erinnerungen veranlassen können?
Irgendwann wollte ich los und bekam ein weiteres Geschenk: Der Titel dieser Installation, beim Weiterziehen kurz gelesen (wenn ich es nur genauer wüsste!) beinhaltete, ja genau, die Wörter: Ufer und Lichter oder Wasser oder… egal, der Tag war gerettet!