Herrlich, da entdeckte ich doch ein Kleinod mitten im allerschönsten Schwabing, die Alexander Tutsek Stiftung. Ein Jugendstilhaus, eine ehemalige Bildhauerwerkstatt, die ausgesprochen schöne Ausstellungsräume beherbergt, besonders gut von den Kunstwerken bespielt – eine Augenweide aus Glas, Holz und Lichteinfall.
Drei der sorgfältig ausgewählten Kunstwerke möchte ich erwähnen…
Pae White
Mein Lieblingsobjekt: Blaue, ziegelsteinförmige Glasflaschen, als niedrige Mauer ganz exakt aufgeschichtet.
Liegende Tintenfässer deren Inhalt bereits verbraucht ist könnten so aussehen; deren Glashaut aber weiterhin metallicblau leuchtet – eine Erinnerung, ein Nachhall. Das Leuchten der kühlen Aura einer Glasfassade, eine Schwimmbadwand in der sich Wasser spiegelt, ein Huldigung an das Material Glas. Die enorme Exaktheit, das grafische Muster, die Reflexionen an der Wand darüber ziehen mich an… mir scheint, dieses Objekt birgt ein Geheimnis.Doch zurück zu meinem allerersten Eindruck: Eine Schutzmauer wie aus Sandsäcken gegen eine Überschwemmung aufgeschichtet… Wie changierend, bewegt und trotzdem stabil es anmutet. Architektur und die Liebe zum Wasser… Ah, genau, der Blickwinkel hilft. Was für mich, in Bayern lebend, wie eine Skulptur für eleganten Hochwasserschutz aussieht, könnte für die Künstlerin Pae White, die in der staubigen, trockenen, heißen Metropole Los Angeles lebt und arbeitet vielleicht eine besonders kunstvolle Form der Wasserlagerung, der Kühlung, der Sicherheit nicht zu verdursten darstellen. Eine Skulptur aus Blau, Glas, Kühle.
Alejandra Seeber
Gläserne Sprechblasen fliegend im Raum, schön anzusehen, leer. Wie in der Luft schwebende Worthüllen, leicht zu durchschauende Transparenz? Glaskolben die gefüllt werden wollen/sollen? Viellelicht ja auch eine Huldigung an die Schönheit der Stille, der eben nicht gesprochenen oder gesendeten Nachricht? Unendliche Interpretationsmöglichkeiten! Die Darstellung einer Sprechblase wie wir sie aus Comics kennen ist in die Dreidimensionalität transformiert, lässt sich von allen Seiten betrachten und schenkt mir: Stille. Innehalten. Poesie. Diese gläsernen „Sprachgefäße“ bestehen wort- und textlos; sie zeigen trotzdem die Idee von Texten die möglicherweise jetzt eben noch in der Luft hängen, die sich jedoch noch materialisieren können, aber nicht müssen.
Mona Hatoum
Hier könnte es sich um einen Korb (sicher!) mit zwei großen, roten Zwiebeln, vielleicht auch Granatäpfeln handeln. Aneinander geschmiegt – trotz des zerbrechlichen Werkstoffs, eher elastisch, organisch anmutend, weich sogar und mit einer leicht zwischen dem Korbgitter hervorquellenden Form. Sehr interessant, denn mein Eindruck ist, dass es sich hier ebenso um Brüste handeln könnte, gebettet in einem Korb, geschützt von vielen Seiten und ja, geöffnet. Die beiden Glasobjekte sind Gefäße, wie Vasen, in denen sich problemlos Flüssigkeit transportieren ließe. Für mich ein Bild der lagernden, nährenden, gebenden und Geborgenheit schenkenden Weiblichkeit schlechthin. Anziehend, schön, warm und… aus Glas.
Die Ausstellung ist noch bis zum 16. November 2018 zu sehen: www.atstiftung.de
Pae White
Overserved (Detail), 2017, formgeblasenes Glas, verspiegelt, 52 Teile, je 24,1 x 10,1 x 6,9 cm, Sammlung Alexander Tutsek-Stiftung © Pae White, courtesy kaufmann repetto, Milano/New York, Foto: Andrea Rossetti
Mona Hatoum
Korb V, 2014, geblasenes Glas, Stahl, 33 x 49,5 x 45 cm, Sammlung Alexander Tutsek-Stiftung © Mona Hatoum, Foto: Joerg Lohse