Fast wandfüllende Skulpturen, Flächen mit Wandbehängen, im großen Saal auch paraventartige Raumteiler, eine Fülle glänzender, stoffartiger Gewebe zeigen große Teile der Ausstellung El Anatsuis im Haus der Kunst.
Herrlicher Glanz.
Aus den metallischen Banderolen und Flaschendeckeln, den Überbleibseln von Spirituosenflaschen lässt der Künstler in kleinteiliger Patchwork-Arbeit Skulpturen entstehen indem er mindestens 15.000 Einzelteile durch Kupferdraht verbindet.
Austausch.
Diese Gebilde erinnern mich an Landschaftsaufnahmen, lederne Panzer afrikanischer Gürteltiere, grafische Muster von Webstoffen oder Rüstungen. Viele Objekte strahlen durch den metallischen Glanz des Restmaterials, überwiegend in Rot, Gold, Silber und Schwarz… sehr herrschaftlich und erhaben. Die scheinende, leuchtende Struktur wird sichtbar da die Skulpturen nicht plan montiert sind. Sie spielen mit Höhen und Tiefen, mit Beulen und Falten… sie scheinen sich in sich zu bewegen und werden in jeder neuen Ausstellung neu und unterschiedlich drappiert. Fasziniert bin ich besonders von „Black Block“. Ein Kunstwerk in schwarz-goldenen Farbtönen das mir wie eine lederne Tierhaut, weich und flexibel aussieht; es könnte einem ziehenden Volk als Zeltdach dienen, doch auch dieses Werk besteht wiederrum „nur“ aus rautenförmig zugeschnittenen Metallplättchen von Flaschhalsbanderolen und Kupferdraht.
Transformation.
El Anatsui fand 2001 eine Plastiktüte mit Flaschenverschlüssen und entwickelte mit famoser Kunstfertigkeit und seinem besonderen Talent eine Transformation: Vom Müll zum Wertvollen, vom harten Material, scharfkantig und kühl, hin zu einem Gewebe das beweglich, meist warm glänzend, lebendig, sehr wertvoll und erhaben anmutet.
Mein Umdenken.
Nie sah der Künstler nur den Restmüll, dieses überflüssige Material; das scheint mir jetzt eine nordeuropäische, engstirnige Angewohnheit zu sein. El Anatsui lehrte mich in dieser Ausstellung mich von der Bewertung von Materialien zu lösen und neue Maßeinheiten (scale) dafür anzulegen. Mich hinwegzusetzen (triumphant) über Verschwendung, da nichts Wertloses existiert. Alles hat den Wert, den ich einer Sache mit meiner Vorstellungskraft, meiner Kreativität, mit meiner Offenheit, mit meiner eigenen Maßeinheit für „Wert“ gebe.
Überraschung, siehe auch: Ein landschaftliches Gebilde, eine Bodenskulptur ganz in Gold, bestehend aus den Metalldeckeln von in Afrika beliebter, weil haltbarer, Kondensmilch.
Überraschung ++: Die umweltrelevanten Themen in einigen Kunstwerken, das Thema Wasser – meist dargestellt durch graue, gebrauchte Druckplatten, so auch an der Hauptfassade des Ausstellungsgebäudes, ein Kunstwerk in direkter Verbindung zum Eisbach und seinen Surfern: „Second Wave“ + El Anatsuis Skulpturen aus bearbeitetem Holz.
Diese herrliche Ausstellung ist noch bis 28.07.2019 im Haus der Kunst zu sehen.