Eine Ausstellung die ich mir als entspannte Belohnung an einem sehr heißen Freitagabend gönnte. Ich erwartete kühle Schönheit in der Kunsthalle München und wurde wieder einmal eines Besseren belehrt. Bilder in Schwarz/Weiß, die oft als Zeichen- und Ideenvorlage während meiner herrlichen Grafikdesign-Studienzeit Verwendung fanden. Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre: Als ein Zeitschriftencover noch Furore machen konnte! Als wir Designer nicht nur die Werben&Verkaufen einkauften sondern noch lieber das Magazin Tempo oder Wiener lasen und kaum die neue Interview erwarten konnten; als der internationale Zeitschriftenladen im Hauptbahnhof regelmäßig aufgesucht wurde um die aktuellsten Titelbilder, Schrifttypen und Fotostrecken zu sichten. Folglich war ich gespannt angesichts der zu erwartenden Bilderflut die maßgeblich mein Stilempfinden geprägt hatte. Peter Lindbergh also. Tja, die ersten Tränen flossen direkt in der oberen Eingangshalle, dort lief der Film „Models“ von 1991. Tzzzzt, obwohl ich diesen Film nie gesehen hatte war ich gerührt, zeigte er doch meine Ex-Ikonen und Ex-Vorbilder in Aktion. Perfekt angezogen, trainiert, lustig und klar, sowas von cooool… Es war als befände ich mich in meiner Jugend und ich erinnerte mich an meine Träume und den Idealismus dieser Zeit (hallo, das waren die 90er!!!). Nicht nur die Musik fand ich damals fulminant, brandneu und zukunftsweisend, sondern auch die Werbeindustrie. Mit meinen Emotionen also rein in der ersten Ausstellungsraum der einem Fotostudio glich, in dem Interviews mit und Filme über Modells und Schauspielerinnen gezeigt wurden.
BOOM……………………………………………………………………………………
Alle, aber auch wirklich alle Bilder waren komplett NATÜRLICH. Sehr schön, unfassbar nah, wahnsinnig echt. Diese Wirkung, würde man jetzt denken, kann leicht mit Schwarz/Weiß-Fotografie erzielt werden. Nur, vielleicht glauben wir eben daran weil Peter Lindbergh diese Bilder machte und damit unsere Empfindungen prägte? Nach diesen extrem bunten (riesige Ohrringe und Ketten, ich sag nur: Modeschmuck) und wie ich finde, maskulinen 80er Jahren (weite Anzüge mit Schulterpolstern für Frauen) brach womöglich mit diesen Fotos eine neue Ära des Purismus an?
Ich sah also Falten (selbst bei jungen Fotomodellen), Sommersprossen (nicht überpudert), Augenringe, ungekämmte Haare, Häärchen, ich sah Echtheit, Unmengen an Zigaretten und am allerwichtigsten, ich sah in fühlende Gesichter, Frauen die mir Geschichten erzählten und mit ihren Blicken, Mündern, Stirnen, Körpern – Stärke, Mut, Intelligenz, Spaß und Selbstverständlichkeit ausdrückten. Ob retuschiert oder nicht, Peter Lindbergh hat auch für mich ein starkes Role Model geschaffen. Mit Herz und seinem Interesse an Menschen (siehe Filminterview in der Ausstellung). Was man bei diesen Aufnahmen besichtigen kann: Ein EINZIGES unverfälschtes Foto genügt völlig um die Kluft zwischen diesen berührenden Bildern und der aktuellen Photoshop-Manie auszumachen. Wie schön… aber auch wie traurig!
Trotzdem, die Modebranche, eine Klasse für sich, ganz klar und ein Hype… Herr Lindbergh nahm sich eine Pause davon und filmte alsbald je 20 Minuten lang Insassen von Gefängnis-Todeszellen – ein Abschieds-Lebensportrait sozusagen und er beschäftigte sich mit Ufos, was je in einem Raum der Ausstellung thematisiert wird.
Fazit: Eine unbedingt sehenswerte Ausstellung, die mir nur zwei von unendlich vielen Personen bot die selbst vor Peter Lindberghs Kamera nur Oberfläche zeigten. Welche das wohl waren?
P.S. Alle Bilder dieses Eintrags sind nur Fotos von Fotos von Fotos, laienhaft abfotografiert, doch selbst diese Kopien besitzen noch eine ehrliche Tiefe für mich.
Die Ausstellung Peter Lindbergh – from fashion to reality ist noch bis 27.8.2017 in der Kunsthalle München zu sehen.